Winfried Bullinger (DGPh)
An den Rändern der Macht
ISBN: 978-3-7757-4260-3; 68 Euro
304 Seiten, 180 Abb.
Hatje Cantz Verlag
ISBN 978-3-7757-4260-3; 68 Euro

An den Rändern der Macht ist eine konzeptionelle Porträt-Serie von Winfried Bullinger (*1965 in München). Angehörige der Nuer, der Afar, der Karamajong und anderer Völker leben und überleben durch einen hohen Grad an Eigenständigkeit und Abgrenzung. Die Photos der Serie sind während zahlreicher Expeditionen in einem Zeitraum von zehn Jahren mit einer Großformatkamera in den Ländern Sudan, Äthiopien, Kenia, Uganda, Tanzania und der Zentralafrikanischen Republik entstanden. Winfried Bullinger zeigt Porträts von Personen, die für den Moment der Aufnahme ihren Weg und ihre Arbeit unterbrechen. Der Aufnahmeort ist der Ort der Begegnung. Die Porträtierten tragen die Kleidung und die Ausrüstungen des Moments. In einer bislang ungesehenen Art und Weise gelingt es dem Künstler durch seine eigene Sichtweise, den komplexen Zusammenhang zwischen Individuum und der Geschichte seines Volkes im Bild zu erfassen.

 

Hubertus Hamm (DGPh)
Dimensioning Photography

236 Seiten, 172 Farbbilder
Distanz Verlag
ISBN: 978-3-95476-187-6; 42 Euro

„Dimensioning Photography“, unter diesem Titel adaptiert der Künstler Hubertus Hamm eine Strategie aus der theoretischen Physik und Mathematik für die Fotografie. Inspiriert von dem Vorgehen, komplexe Probleme durch das Hinzufügen neuer Dimensionen erfassbar zu machen, möchte er die Grenzen fotografischer Repräsentationsmöglichkeiten über den Moment der Ablichtung und die Zweidimensionalität hinaus beeinflussen. Die Publikation fasst eine Gruppe von Werken und Werkgruppen zusammen, in denen Hamm diese Position aus seinem über 40-jährigen Schaffen und Experimentieren in der Fotografie herausarbeitet und präzisiert. In ihr werden die jüngsten Arbeiten des Künstlers und Fotografen gezeigt – Werke, die in ihrer konzeptionellen Ausrichtung und technischen Realisation ebenso spielerische wie nachdrückliche Untersuchungen der Materialität und Dimensionalität von fotografischer Darstellung sind. Das Buch selbst ist sowohl eine Bestandsaufnahme als auch ein Diskursangebot. Mit Texten von Andreas Beitin, Helmut Friedel, Alexandra Grimmer, Benjamin Tillig, Tilman Treusch und Björn Vedder.

 

Wim Wenders
Sofort Bilder

320 Seiten, 403 Polaroids, 435 Abb., 36 Geschichten
Verlag Schirmer/Mosel
ISBN: 9783829608169; 49,80 Euro

Als Filmemacher und Mitbegründer des Neuen Deutschen Films weltweit gefeiert, hat sich Wim Wenders auch als Photograph international einen Namen gemacht. Zeigte er bisher vor allem großformatige Farbaufnahmen, so öffnet er jetzt für eine Ausstellung in der Londoner Photographers‘ Gallery seine Schatzkiste mit „Sofortbildern“, Polaroids, die in den 1970er und 1980er Jahren entstanden sind: Portraits von Freunden, Schauspielern und persönlichen „Helden“, Objekte, Orte, Räume und Situationen aus dem Leben eines jungen reisenden Filmemachers, Impressionen aus den ersten USA-Reisen, Filmhelden im amerikanischen Fernsehen, die Kinolandschaft in der deutschen Provinz der 1970er Jahre, Dreharbeiten – ein von Heiterkeit, Abenteuerlust und Neugier auf die Welt getragener Almanach. Wenders sortiert seine photographischen „Notizen“, wie er sie nennt, in diesem Künstlerbuch zur Ausstellung nicht thematisch, sondern nach Geschichten: er verwebt sie mit eigenen Erzählungen, Kurzgeschichten, „Haikus“. sofort bilder ist ein photographisches Roadmovie durch die Anfangsjahre des Künstlers, der schnell Weltruhm erlangte mit Filmen wie The Scarlet Letter, Alice in den Städten, Falsche Bewegung, Im Lauf der Zeit oder Der amerikanische Freund.

 

Sean Hemmerle
Them

120 Seiten, 50 Duplexabb., Englisch
Verlag Kehrer
ISBN 978-3-86828-810-0; 38 Euro

Die Werkgruppe Them versammelt Porträts von Menschen aus Afghanistan und dem Irak, die alle in ähnlicher Weise aufgenommen wurden. Jedes Modell wurde frontal und ohne Anweisungen des Photographen porträtiert, sodass jedes Individuum sich nach eigener Wahl selbst darstellen konnte. Die Porträts zeigen durchschnittliche Menschen in prekären Umständen, jedes Bild eine Person in feindlicher Umgebung. Der New Yorker Photograph Sean Hemmerle reiste kurz nach den Ereignissen vom 11. September 2001 in den Irak und nach Afghanistan. Er hatte die Angriffe auf das World Trade Center miterlebt und wollte diesen eine eigene Antwort entgegensetzen. Die so entstandenen Bilder sind eine mitfühlende Studie der Menschen, die unter Beschuss seiner eigenen amerikanischen Regierung stehen. Sean Hemmerle selbst hatte früher als Sergeant in der US-Armee gedient. Seine photographische Arbeit in den Krisengebieten darf als Alternative zum militärischen »Schießen« verstanden werden. Hemmerles Arbeiten wurden international ausgestellt und unter anderem im New York Times Magazine, New York Magazine und im Time Magazine veröffentlicht.

 

Ken Hermann
Flower Men

96 Seiten, 43 Farbabbildungen, Englisch
Verlag Kehrer
ISBN 978-3-86828-805-6; 25 Euro

Blumen spielen in der Kultur Indiens eine wichtige Rolle, sie werden bei Tempelritualen ebenso eingesetzt wie bei Festivals und Partys. Der Malik Ghat Blumenmarkt in Kolkata am Ufer des Flusses Hugli ist der größte seiner Art in Indien. In seiner hektischen Betriebsamkeit versuchen täglich mehr als 2.000 Verkäufer ihre Blüten an den Mann zu bringen. Ein Besuch dieses Blumenmarktes löste bei dem dänischen Photographen Ken Hermann die Idee zu einer Porträtserie der Verkäufer aus, deren staubiger und schweißgetränkter Aufzug häufig in starkem Kontrast zu ihren prächtigen Blütengirlanden steht. Hermanns Bilder sind Pfade, die uns in Mikrokosmen führen und uns herausfordern, eingefahrene Muster photographischer Repräsentation zu überdenken. Leidenschaftlich gegenüber dem Individuum und seiner einzigartigen Geschichte, erforscht er das fragile Gleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt, Tradition und Modernität. Seine Photographie verwebt nahtlos kulturelle mit politischen Inhalten, vermischt dokumentarische mit filmischer Porträtkunst. Die Kombination von natürlichem und künstlichem Licht versetzt seine Modelle in einen surreal anmutenden Raum und erschafft so traumhafte Bilder von ganz gewöhnlichen Menschen.

 

Balthasar Burkhard
296 Seiten, 352 Abbildungen
Steidl Verlag
ISBN: 978-3-95829-422-6; 28 Euro

Das Buch »Balthasar Burkhard« präsentiert die Retrospektive des Photographen zusammen mit Essays zu seinen verschiedenen Werkserien, die in chronologischer Reihenfolge auch das Buch strukturieren. So wird der facettenreiche Werdegang nachgezeichnet, der in seiner Art und Oeuvre die „künstlerische Befreiung der Photographie im ausgehenden 20. Jahrhundert“ widerspiegelt. In seinen Motivgruppen begleitet und dokumentiert er den Kurator Harald Szeemann, die Berner Bohème der 1960er und 1970er Jahre und die docmenta im Jahre 1972 und damit auch den Paradigmenwechsel der Postmoderne. Außerdem positioniert er sich stärker als Künstler zusammen mit seinem Freund Markus Raetz und inszeniert seine legendären Ausstellungen in der Basler Kunsthalle (1983) und im Musée Rath (1984). Balthasar Burkhard ist einer der Wegbereiter dieser neuen, figurativen Ausrichtung der Photographie als Kunstform zu Beginn der 1980er Jahre. Das Porträt wandelt sich bei ihm von einer szenisch und aktionellen zu einer zunehmend formalisierten Auffassung. Diese Typisierung und Individualisierung ist gut in den Tierporträts zu erkennen. Sehr interessant ist der Gegensatz der Stadtverduten zu den Wüstenaufnahmen, in denen er auf eine klassisch moderne Auffassung zurückgreift. Hier wird besonders deutlich sein Suchen nach einer Morphologie der Natur und Kultur, die als Motive Wellen und Wolken, Bergformationen, tropische Urwälder, traditionelle japanische Architekturen und die Fragilität von Pflanzen heranzieht. Die besondere Grauscala seiner Vergrößerungen und das Interesse an deren Materialität ließen ihn in den späteren Jahren mit dem Edeldruckverfahren der Heliogravüre arbeiten, und somit zu einer Photographie als „künstlerisches Medium“ finden. Ein sehr fundiertes und umfassendes Buch, das eine intensive Auseinandersetzung mit einem bedeutenden Künstler ermöglicht. (DB) (Ausstellung: Museum Folkwang, Essen, bis 14. Januar 2018)

 

Axel Hütte
Frühwerk

200 Seiten, 124 Abb. in Farbe und s/w
Verlag Walther König
ISBN: 978-3-96098-237-7; 38 Euro

Das Buch »Axel Hütte. Frühwerk« wirft einen interessanten Blick auf die Frühzeit der „Düsseldorfer Schule“ und ihre Protagonisten. Das Josef Albers Museum führt mit dieser Ausstellung eine Reihe fort, die mit Bernd und Hilla Becher begann, mit Bergwerke + Hütten fortgesetzt und mit den Schülern fortgeführt wird. Es sind photographische Positionen, deren Ästhetik mit einer formalen Reduktion und Klarheit der Bildkompositionen dem Werk von Josef Albers verwandt sind. Dabei geht es nicht um eine bloße Abbildung der Phänomene sondern vielmehr um eine Photographie deren konzentrierte Bildsprache und ikonische Dichte, die sichtbare Welt interpretiert. Im Frühwerk von Axel Hütte ist diese Bildsprache erkennbar wie auch die Anregungen seines Lehrers Bernd Becher. Im Buch kann man nachspüren wie ein junger Photograph seinen gestalterischen Weg findet und die Anregungen des Studiums fortentwickelt und so einen eigenen Beitrag zur zeitgenössischen Photographie liefert. In den Jahren 1978-1995 interpretierte er architektonische Strukturen wie Treppenhäuser und Flure in Mietshäusern der Nachkriegszeit, U-Bahnhöfe in Berlin, Gebäude und Plätze in London, Venedig und Paris, schließlich Landschaften in Italien, Spanien und Portugal, Themen die später auch von anderen Becher-Schülern bearbeitet wurden. Deren unterschiedliche Durchdringung der Strukturen bis hin zur stilistischen Form entscheidet wieweit sie heute noch stilbildend und anregend für die nächste Generation ist. In der zeitgleichen Ausstellung »Night and Day« und dem Katalog dazu kann man dann sehen, was daraus geworden ist, wohin sich der Photograph Axel Hütte bis heute entwickelt hat. (DB) (Ausstellung: Museum Quadrat, Bottrop bis 20. Januar 2018)

 

Axel Hütte
Night and Day

156 Seiten, mit 80 Abbildungen in Farbe.
Verlag Walther König
ISBN: 978-3-96098-192-3; 49,90 Euro

Das Buch » Axel Hütte. Night and Day« zeigt wie sich einer der Protagonisten der „Düsseldorfer Schule“ weiterentwickelt hat und welchen Weg er jenseits der Becher Aura gegangen ist. In den Jahren nach 1995 thematisiert er weiterhin die Wahrnehmung von Landschaft oder Architektur, löst sich aber stilistisch von dem grauen „Becher Himmel“ indem er Lichtimmungen der Dämmerung auswählt und später illuminierte Großstädte in Europa, Amerika und Asien. Diese Lichtsituationen ermöglichen ungewöhnlichen Bildstrukturen und Wahrnehmungsphänomenen, die durch die sehr divergenten Orte - Städte, auf alpinen Gletschern oder im südamerikanischen Dschungel - noch verstärkt werden. Mit diesen Photographien hat er sich künstlerisch weit von dem Dokumentarischen der Düsseldorfer Schule entfernt. Ein sehr schön gestaltet und gedruckter Bildband der den hochwertigen Werkgruppen entspricht. (DB)
(Ausstellung: Museum Kunstpalast, Düsseldorf bis 14. Januar 2018)

 

David Lurie
Undercity – The Other Cape Town

144 Seiten, 61 Abb., Englisch
Hatje Cantz Verlag
ISBN 978-3-7757-4327-3; 50 Euro

Seit dem Ende der Apartheid hat Südafrikas Vorzeigemetropole Kapstadt einen großen Sprung gemacht: Als Lieblingsziel für Touristen, als sonnige Kulisse für Werbeproduktionen, als schickes Bauland für die Upper-Class. Dass hinter dem schönen Schein nach wie vor Arbeitslosigkeit und Überlebenskampf der Unterprivilegierten herrschen, wird selten gesehen. Der Südafrikaner David Lurie hat sich auf die Suche nach dem „anderen“ Kapstadt gemacht, in den frühen Morgenstunden, wenn die Stadt noch schläft und zart und verletzlich ist: In der Serie Morning After Dark geht es um die Infrastruktur öffentlicher und privater Plätze, um ihren Einfluss auf die Einwohner der Stadt – von reich bis arm. Die zweite Serie des Buches, Writing the City, folgt den Oberflächen, den Werbetafeln, Straßenschildern und Graffitis: Welche Botschaften haben sie für uns? Wie und wohin leiten sie die Gesellschaft? Ein nachdenklicher Essay in faszinierenden Bildern.

 

Jim Marshall
Peace

128 Seiten, 120 s/w-Abbbildungen
Reel Art Press
ISBN 978-3-981889-00; 24,95 Euro

Jim Marshalls bislang unveröffentlichte „Peace“-Photographien, die hier zum ersten Mal zusammengestellt und publiziert werden, sind in der Welt von heute aktueller denn je. Fast 60 Jahre nach der Schaffung des CND-Friedenssymbols (CND steht für Campaign for Nuclear Disarmement, also die Kampagne für nukleare Abrüstung) stellt diese Auswahl einen ebenso schönen wie inhaltlich dichten Werkkomplex dar. Das Vorwort stammt von dem bekannten Straßenkünstler und Grafikdesigner Shepard Fairey. Der begleitende Text wurde von Peter Doggett verfasst. Die Folk-Sängerin Joan Baez hat für dieses Buch das Nachwort geschrieben. Marshall sah sich als Anthropologe und Journalist gleichermaßen. Als jemand, der die aufgeregten Zeiten und die Explosion von Kreativität und Star-Kult in den 1960er Jahren visuell festhielt. Er liebte die Street Photography. Zwischen seinen offiziellen Aufträgen begann er, das CND-Friedenssymbol und die Abrüstungs-Demos für sich privat zu dokumentieren. Er bewahrte diese Bilder in seinem Archiv unter der Bezeichnung "Peace" auf, wo sie bis zur jetzigen Veröffentlichung verborgen waren. Das CND-Symbol wurde 1958 von Gerald Holtom für die britische Kampagne für nukleare Abrüstung entworfen. Von Großbritannien aus eroberte das Symbol auch die Anti-Kriegs-Kampagne in den USA. Marshalls Photographien entstanden hauptsächlich zwischen 1961 und 1968 überall in Amerika. Sie zeigen die Wandlung des Symbols vom ursprünglichen "Weg mit der Bombe“ zu einem international anerkannten Friedenssymbol. Marshall hielt es auf Straßen-Graffiti in der New Yorker U-Bahn fest, auf Buttons, die von Hippies oder Studenten getragen wurden, oder bei Friedens-Demos an der Westküste, die von den damals Beteiligten in dem festen Glauben organisiert wurden, sie könnten für einen kurzen Moment die Geschichte beeinflussen.

 

Eine Reise um die Welt in 365 Bildern
Das Magnum Archiv

Verlag Prestel
ISBN: 978-3-7913-8324-8; 24,95 Euro

Zum 70. Geburtstag der wohl bedeutendsten Photoagentur der Welt erhalten ihre zahllosen Fans ein ganz besonderes Geschenk: Magnum: Eine Reise um die Welt in 365 Bildern präsentiert 365 Arbeiten von Photographen, die mit ihren außergewöhnlichen Ansichten die ganze Vielfalt unseres Planeten in brillanten Bildern einfangen. Dabei setzt das kompakte Werk die Aufmachung seiner erfolgreichen Vorgängerbände fort und präsentiert die Motive im Format eines immerwährenden Kalenders, der dementsprechend auch nach Ablauf des Jubiläumsjahrs noch bestens genutzt werden kann. Kuratiert wurde das facettenreiche Werk von Elisa Mazza. Bei ihrer Bildauswahl hat die ausgewiesene Magnum-Expertin bewusst auch jüngere und weniger bekannte Agenturmitglieder berücksichtigt. Das Buch versteht sich als eine Art Atlas, der die verschiedenen Länder allerdings nicht über topografische Karten, sondern in Form von Photos vorstellt. Jeder der ausgewählten Staaten wird von einem Repräsentanten porträtiert, und zwar mit bis zu vier sehr individuellen und darum so berührenden Aufnahmen von Land und Leuten.

 

Michael Ruetz
Gegenwind

208 Seiten, 85 Illustrationen
Verlag Nimbus
ISBN 978-3-03850-038-4; 39,80 Euro

1968: Viele der Photos, die das kollektive Bildgedächtnis über diese Zeit ausmachen, stammen von Michael Ruetz: Rudi Dutschke am Mikrofon, die Demonstrationen nach Benno Ohnesorgs Tod, Gudrun Ensslin mit Kinderwagen und Protestplakaten. Es sind Bilder, die jeder kennt. 50 Jahre später hat sich Ruetz die Frage gestellt: Habe ich eigentlich wirklich gesehen, was ich damals photographierte? Und sind die bekannten Aufnahmen auch die wesentlichen? In den Bildern, die zwischen 1964 und 1974 entstanden, zeigt Michael Ruetz die Menschen, wie sie ihm in den 1960er-Jahren begegneten – nicht nur auf den Photos der 1968er Revolution, sondern auch auf Bildern aus der ehemaligen DDR, aus Polen, aus Auschwitz. Es ist ein einzigartiges Zeitpanorama, wie es kein anderer West-Photograph in diesen Jahren zeichnen konnte. Michael Ruetz hat in seinen Photographien die Gesichter der Menschen von damals gesucht, um sie in ihrer Individualität zu bewahren. Detailansichten, Blow-ups der von ihm gewählten Ausschnitte lassen die uns die vertrauten Bilder in einer neuen Lesart erscheinen. Was in den groß gezeigten Gesichtern der Zuschauer, der Mitläufer, der Mitdenker, der Streikenden, Kämpfenden in den 1960er-Jahren geschrieben steht, deutet sich der heutige Betrachter am besten selbst.

 

Sory Sanlé
Volta Photo 1965-85

84 Seiten, 41 s/w-Abbildungen, Englisch
Reel Art Press
ISBN 978-1-909526-52-5; 24,95 Euro

Der in Burkina Faso beheimatete Photograph Sory Sanlé, Jahrgang 1943, begann seine Karriere im Jahr 1960, dem Jahr, in dem sein Land (damals als Republik Obervolta bezeichnet) die Unabhängigkeit von Frankreich erhielt. Sanlé eröffnete 1965 ein Porträt-Studio mit dem Namen „Volta Photo“. Er arbeitete mit einer Rolleiflex-Doppellinsen-Mittelformatkamera. „Volta Photo“ genoss schon bald den Ruf, das beste Studio der Stadt zu sein. Das goldene Zeitalter der Photographie in Obervolta wird von niemand anderem so verkörpert wie von Sory Sanlé. Seine Schwarz-Weiß-Bilder repräsentieren diese Ära perfekt. Aus ihnen spricht eine einzigartige kulturelle Energie und gesellschaftliche Relevanz. Sanlés Werk untersucht, wie Tradition und Moderne auf natürliche Art und Weise miteinander verschmelzen. Er dokumentierte die schnelle Entwicklung von Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, die auch als kulturelle und wirtschaftliche Hauptstadt gilt. Ihre Bewohner hat er mit viel Scharfsinn, Energie und Leidenschaft dargestellt. Seine Arbeit vermittelt einen guten Eindruck von dem jugendlichen Überschwang, der im Zuge der ersten Jahrzehnte der afrikanischen Unabhängigkeit herrschte. Auf eine bestimmte Art und Weise veranschaulichen Sanlés Motive aber auch die Abgeschiedenheit und Melancholie derjenigen afrikanischen Städte, die fern von der Küste tief im Herzen des Kontinents liegen. Dies ist das erste Buch überhaupt, das zum Werk von Sanlé veröffentlicht wird.

 

Insights – Wienerberger Contemporary
128 Seiten, 100 Farb- und 31 S/W-Abbildungen
Verlag Kehrer
ISBN 978-3-86828-772-1; 44 Euro

Mit der Wienerberger Contemporary Photography Collection hat die Wienerberger AG – weltweit führender Anbieter von Baustoff- und Infrastrukturlösungen mit Hauptsitz in Wien – 2012 ein einzigartiges Kunstprojekt ins Leben gerufen. Jedes Jahr werden herausragende, junge europäische Photographen/-innen beauftragt, sich mit der Wienerberger Gruppe und ihrem Umfeld zu beschäftigen. Anders als bei herkömmlichen Unternehmenssammlungen, die sich zumeist aus Ankäufen zusammensetzen, stehen bei dieser Sammlung die Entstehung neuer Arbeiten sowie die Auseinandersetzung mit der industriellen Tätigkeit und deren Auswirkung auf die Gesellschaft im Vordergrund. Bis heute sind weit über 100 Werke von 13 Künstlern/-innen in 20 Ländern entstanden.

 

 

Laurence Rasti
There Are No Homosexuals in Iran

156 Seiten, 53 Farbabbildungen, Englisch
Edition Patrick Frey
ISBN: 978-3-906803-38-8; 52 Euro

Am 24. September 2007 behauptete der damalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei einer Diskussion an der Columbia University in New York: «Es gibt im Iran keine Homosexuellen wie in Ihrem Land.» Anders als in einigen westlichen Ländern, wo die Eheschliessung gleichgeschlechtlicher Paare möglich ist, steht im Iran auf Homosexualität nach wie vor die Todesstrafe. Homosexuelle dürfen ihre Sexualität nicht ausleben. Es bleiben ihnen also nur zwei Optionen: Transsexualität, die zwar als pathologisch eingestuft, aber gesetzlich toleriert wird, oder Flucht. In der kleinen türkischen Stadt Denizli verharren Hunderte von homosexuellen Iranerinnen und Iranern in einer Transitzone. Sie setzen ihr Leben gleichsam in die Warteschleife und hoffen darauf, eines Tages in einem Gastland Aufnahme zu finden, wo sie ihre Neigungen frei ausleben können. In diesem Kontext der Ungewissheit mit der Anonymität als bestem Schutz hinterfragt die photographische Arbeit die sensiblen Begriffe von Identität und Geschlecht. Vor allem war mir daran gelegen, diese Menschen nicht zu Opfern zu machen. Zu Opfern einer dramatischen politischen Lage und von Erinnerungen, die schwer auf ihnen lasten. Deswegen habe ich versucht, das Augenmerk auf ihre heutige Lage und die damit verbundenen Hoffnungen zu lenken. Sie ist ein Versprechen auf das freie Ausleben der sexuellen Orientierung und der Liebe jenseits des Gender Trouble. Die Bilder sind aus einfachen, leichten, zuweilen feierlichen Elementen zusammengesetzt, um ein Paradox zur Schwere des Sujets und zur prekären Lage dieser Menschen zu erzeugen. Im Wechsel zwischen verborgenen und unverhüllten Gesichtern zeugt meine Bildserie davon, wie schwer es diese Menschen haben, den identitären Raum, der ihnen genommen wurde, mit Neuem zu füllen. (Laurence Rasti)

 

Andreas Herzau
Helvetica

104 Seiten, 70 Illustrationen
Verlag Nimbus
ISBN 978-3-03850-039-1; 42 Euro

Andreas Herzau gehört zu den renommiertesten Photojournalisten seiner Generation. Bekannt wurde er in den 1990er Jahren durch Reportagen aus den afrikanischen Bürgerkriegsländern und zu Flucht und Migration. In seinen großen monographischen Arbeiten über Deutschland, New York und Moskau erweitert er die Grenzen der klassischen Reportagephotographie und entwickelte er eine unverkennbare eigenen Bildsprache mit überraschenden kontrastierenden Schnitten. Seine Arbeiten wurden u.a. mit dem European-Press-Award ausgezeichnet. Seine neuste Arbeit Helvetica ist eine photographische Auseinandersetzung mit der Schweiz. Über ein halbes Jahrzehnt hat Andreas Herzau das Land immer wieder besucht und die verschiedensten Orte, Sujets und Menschen festgehalten. Ihm geht es nicht um Reportage-Photographie im berichtenden Sinn, sondern darum, eigene, oft von Klischees verstellte Vorstellungen mit dem Vorgefundenen abzugleichen. Er zeigt ein Land, das er für seine Errungenschaften schätzt – auch wenn er bald erkennt, dass es sich mit den eigenen Ansprüchen schwer tut. Als eine Nation von großem wirtschaftlichen Wohlstand, gefestigt durch eine lange Tradition liberaler Demokratie und politischer Neutralität, bestehen dennoch starke nationale Abwehrreflexe. Herzau umkreist die Widersprüche des helvetischen Selbstbildes und reflektiert seine eigene Rolle als Fremder. Es sind genau diese Bruchstellen, auf die der Photograph seinen Blick richtet. Ein Auslöser für die Arbeit war René Burris berühmtes Buch «Die Deutschen» aus dem Jahr 1962, das Herzau bei der Vorbereitung zu einem Vortrag über Photobücher in die Hände fiel. Daraufhin entwickelte er die Idee, den Schweizern einen Gegenbesuch abzustatten.
Analog zu Burris Werk, in dem deutsche Autoren den Bildern kurze Texte zur Seite stellten, sind die beiden schweizerisch-internationalen Autoren Nora und Eugen Gomringer in dem Band mit Gedichten vertreten. (Ausstellung: Soiz Galerie Passau, 27. Oktober - 22. Dezember)

 

National Geographic
In 125 Jahren um die Welt - Europa

336 Seiten
Taschen-Verlag
ISBN:  978-3-8365-6877-7; 49,99 Euro

Spektakuläre Photos und exzellenter Journalismus – seit Generationen fesselt ‚National Geographic‘ mit ambitionierten Reisereportagen und packenden Berichten über fremde Kulturen, außergewöhnliche Orte, archäologische Entdeckungen und bedrohte Naturschätze. Die beiden 28x38 cm großen, jeweils über 300 Seiten dicken Bildbände über Europa sowie über Asien und Ozeanien  stehen unter der Hauptüberschrift  ‚In 125 Jahren um die Welt‘ – der Band über Amerika ist bereits Ende 2016 erschienen. Sie enthalten Hunderte packender Bilder aus den historischen Archiven von ‚National Geographic‘ und sind transkontinentale und historische Reisen durch Raum und Zeit.
Der Band „Europa“ lädt zu einer Reise quer durch den Kontinent vom Polarkreis bis zum Bosporus. Stationen der Entdeckungsfahrt sind unter anderem die schneebedeckten Gipfel Finnlands, schaumgefüllte Seifendiscos auf Ibiza, die griechische Inselwelt, die Höhlen von Lascaux mit ihren berühmten Felsmalereien im Südwesten Frankreichs, die russische Metropole Wolgograd und die Gletscherwelt des Berner Oberlands. Neben Stippvisiten in Paris, Rom, Berlin, London, Wien, Stockholm und Moskau ist ein Bildbericht über die Entstehung der Insel Surtsey vor Island, bei dem sich Blitze in den außerirdisch anmutenden violetten Rauchwolken über dem Vulkan entladen, enthalten.

 

National Geographic. In 125 Jahren um die Welt - Asien & Ozeanien
392 Seiten
Taschen-Verlag  
ISBN: 978-3-8365-6881-4; 49,99 Euro

Eine photographische Reise vom Libanon bis zur Osterinsel, vom Mittelmeer bis nach Polynesien bietet der Band „Asien & Ozeanien“. Dieser ist gegliedert in die Abschnitte Naher Osten, Süd-, Südost-, Nord- und Ostasien, Australien, Neuseeland, Neuguinea sowie die Pazifik- und die Osterinseln. Stationen sind beispielsweise die „verlorene Stadt“ Petra, das Tadsch-Mahal, ein Aufeinandertreffen mit Braunbären in Sibirien, das „Nacktfest“ in Japan, bei dem sich spärlich bekleidete Männer wagemutig in die Finsternis stürzen, und die Marshallinseln, vor denen graue Riffhaie auf Beutefang gehen. Herausragende Beispiele der legendären und bahnbrechenden Unterwasser- und Tierphotographie runden das Werk ab.
Die beiden großartigen Bildbände zeigen eine Vielzahl, im Laufe der Jahre von herausragenden Photographen gestalteter Bilder. Diese reichen von frühen Schwarzweiß-Aufnahmen bis zu Autochromen, vom goldenen Zeitalter der Farbdiafilme bis zur digitalen Moderne und zeigen die ganze Kraft der Photographie. (vZ)

 

William Albert Allard
Paris – mit den Augen eines Flâneurs

240 Seiten mit 119 Photos, Französisch,  Englisch, Deutsch
Edition Lammerhuber
ISBN: 978-3-903101-03-6; 59 Euro

31 Jahre lang ist William Albert „Bill“ Allard immer wieder in die Lichterstadt Paris zurückgekehrt, ist im Geiste eines Flaneurs auf der Durchreise oder für einige Wochen ziellos durch die Straßen geschlendert, ohne etwas Bestimmtes zu suchen, jedoch immer offen für Momente, die er mit seiner Kamera einfangen könnte. Mit seinem außergewöhnlichen Sinn für Farben kehrte der Meisterporträtist und langjährige Photograph der Zeitschrift ‚National Geographic‘ von seinen Spaziergängen mit Bildern, deren Sujets von Photomodellen in der Garderobe über eine schöne, junge, gedankenverlorene Frau im Café bis zu Sonnenanbeterinnen im Bikini in einem Park im Marais oder im Sand künstlicher Strände an der Seine reichen, zurück. In 119 ganz- oder doppelseitig wiedergegebenen Farbphotographien und einem zehnseitigen Text schildert Bill Allard, der 1937 als Sohn eines schwedischen Einwanderers in Minneapolis, Minnesota (USA), geboren wurde und an der Minneapolis School of Fine Arts und an der University of Minnesota studierte, ausführlich seine oftmaligen, unterschiedlich langen Aufenthalte in der französischen Metropole und berichtet über die dabei gewonnenen Eindrücke und Erlebnisse. „Auf meinen Streifzügen suche ich nach den Schnittpunkten menschlicher Lebenslinien, nach Augenblicken, die eine Geschichte erzählen oder Fragen aufwerfen. Dabei kann eine Geste das auslösende Moment sein, aber auch einfach nur das Spiel von Licht und Schatten -  alles was in mir ein ‚Ja‘ der Erkenntnis hervorruft“, erläutert er seine Arbeitsweise. Allard ist dafür bekannt, den Moment mit großer Sorgfalt in Szene zu setzen, alle Puzzlesteine fallen dabei elegant an die richtige Stelle. Das, was er einfängt, sind einprägsame Farbbilder zum Verlieben, von einer Stadt der unerschöpflichen Momente, die in dem opulenten Bildband „Paris – mit den Augen eines Flâneurs“ zusammengefasst sind. (vZ)

 

Reinhard Krause
„Woanders is auch scheiße!“

240 Seiten, ca. 200 Schwarz-Weiß- und Farb-Photographien
Emons Verlag
ISBN 978-3-7408-0231-8; 35 Euro

Im September 2017 hat die photographische Sammlung des Ruhr Museum ein Konvolut von 50 Kleinbild-Diafilme, 3000 gerahmten Kleinbild-Dias und 2100 Schwarz-Weiß-Kleinbildfilme von dem Photographen Reinhard Krause erhalten. Daraus ist im Auftrag der Deutsche Fotothek das Buch »Woanders is auch scheiße!« entstanden, das einen Überblick über die Arbeitswelt und das Lebensgefühl im Pott der 1980er Jahre widerspiegelt. Kongenial dazu ist das sehr persönliche Vorwort von Frank Goosen. Manchmal etwas eigenwillig sind die Bildunterschriften von Wilfried Bienek, die aber die damalige Stimmung und den Zeitgeist punktgenau wiedergeben. Es ist ein Photojounalismus der vom Alltagsmoment bis zur sensiblen Milieustudie alle Facetten des Ruhrgebietes wiedergibt. Das Buch wird auf großes Interesse im Ruhrgebiet stoßen, da es ohne Scheu und mit liebevollem Blick die Menschen im Zusammenleben mit ihren kleinen Fehlern aber auch Freuden zeigt. Feste und Feiern, Jugend und Mode, Raufen und Saufen, Demos und Strukturwandel, Konsum und Alltagstrott zeigen Arbeitswelt, Ausgelassenheit und Tristesse einer immer noch industriell geprägte Region. Der besondere Charme dieses Buches besteht darin, dass derjenige, der genau hinsieht und die Region genauer kennt, dieses Milieu auch heute noch entdeckt. Über die gezeigten Photographien hinaus ist es ein gut gedrucktes und sehr schön gestaltetes Buch. (DB)

 

Johannes Weber
Dorfleben in den Nachkriegsjahren

199 Seiten, 170 Abb.
Verlag Tecklenborg
ISBN-13: 978-3944327464; 19,90 Euro

In mehr als 6000 Photographien hielt Johannes Weber zwischen 1946 und 1955 mit seiner Leica-Kleinbildkamera das Leben im münsterländischen Dorf Nottuln fest. Die 170 aussagekräftigsten Photos der Sammlung Weber hat Stephan Sagurna für diesen Bildband unter vier Themenschwerpunkten zusammengestellt: "Ortsansichten", "Festlichkeiten, Feiern und Ereignisse", "Rhode - Die Nottulner Fabrikantenfamilie" sowie "Porträts". Drei Einleitungsaufsätze von Hans-Peter Boer, Hermann-Josef Stenkamp und Stephan Sagurna führen in die Besonderheiten von Webers Photographien und den Alltag der Nachkriegsjahre ein. Am Beispiel Nottulns macht der Bildband eine Lebenswelt lebendig, die heute versunken ist, aber bis vor einem halben Jahrhundert in vielen Dörfern und Kleinstädten Westfalens Alltag war.

 

Appetite for the Magnificent
124 Seiten, 23 Abb.
Edition Patrick Frey
ISBN 978-3-906803-47-0; 43 Euro

David und Tania Willen fokussieren in ihren Photographien auf die ästhetische, bildhafte Dimension heutiger Aquarien. Die Motive entstammen Schweizer Zoos und der Schweizer High-End-Aquarien-Szene, mithin öffentlichen und privaten Laboratorien, in denen sich Menschen als «Aqua Scaper», als Designer mineralisch-vegetabil-animalischer Kabinette, betätigen. Diese Kabinette stehen, wie Bilder als solche, im Spannungsfeld zwischen Realität und Virtualität, Präsenz und Absenz, Belebtem und Unbelebtem. Der Fisch, der im Aquarium seine Bahnen zieht, mag als lebendiges Wesen präsent sein – man erlebt ihn durch die Scheiben gleichwohl als Bild eines Fisches. Dass die Fische in den strikt auf die Frontseite konzentrierten Photographien von David und Tania Willen förmlich in der Luft zu hängen scheinen, unterstreicht den virtuellen Charakter des Aquariums: Es ist nichts weniger als eine Vorform des Fernsehens. Jörg Scheller zeigt in seinem Essay am Beispiel des Mitbegründers und Popularisierers der Aquaristik Philip Henry Gosse (1810 –1888), wie das Aquarium als Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Religion entstand. Gosse war kunstsinniger Illustrator, autodidaktischer Naturforscher und tiefgläubiger Freikirchler. In seiner Biographie zeichnen sich die wesentlichen Merkmale des Aquariums ab: Die Ästhetisierung und Verkunstung der Natur, die systematische Beobachtung und Erforschung von Meereslebewesen sowie die Orientierung am 1. Buch Mose, wo es heißt, der Mensch solle «über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen» herrschen.

 

Cees Nooteboom
Karl Blossfeldt und das Auge Allahs
80 Seiten, 26 Abbildungen

Verlag Schirmer/Mosel
ISBN: 9783829608183; 19,80 Euro

„Wie beginnt ein Abenteuer? Ich sitze in einem sehr stillen, hohen Raum in der Bibliothek des Rijksmuseums in Amsterdam.“ Mit diesen Sätzen entführt Bestseller-Autor Cees Nooteboom den Leser (nach seinen Betrachtungen zu Hieronymus Bosch) von Neuem in die Welt der Kunst – und schildert seine Annäherung an das Werk eines Mannes, der eigentlich gar kein Künstler sein wollte: Karl Blossfeldt (1865–1932), ausgebildet in Bildhauerei und Zeichnen sowie sensibler und begabter Autodidakt in Photographie, war Lehrer an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin, später Professor an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst. Seinen Schülern zeigte er Beispiele aus der Pflanzenwelt, um ihr ästhetisches Empfinden zu schulen und ihr Gefühl für Ornamentik zu entwickeln. Dafür photographierte er bei natürlichem Licht frisch geschnittene Pflanzen, die er in einem Gestell aufgerichtet und mit Knetmasse fixiert hatte. Urformen der Kunst war dann seine erste und einzige Veröffentlichung zu Lebzeiten, eine Mappe mit Photographien, die in den 1920er Jahren bei Wasmuth erschien. Vor diesen vergrößerten Pflanzenabbildungen im Rijksmuseum, später in der Pinakothek der Moderne in München sitzend, gerät Cees Nootebohm ins Philosophieren über die Grenze zwischen Naturbetrachtung und künstlerischem Impetus, stellt Fragen nach dem Schöpfer und dem Urknall und ermittelt den Kunstgriff der Vergrößerung als den eigentlichen Katalysator, der die Struktur in den Vordergrund treten lässt und ins Reich der schieren Ästhetik führe. Für ihn hat Blossfeldt seine Pflanzen mit dem „Auge Allahs“ gesehen – eine Anspielung auf eine Erzählung Rudyard Kiplings – und damit „eine neue Grammatik des Sehens“ geschaffen. Mit seinem ebenso humorvollen wie geistreichen und intelligenten Essay erschließt Nooteboom Blossfeldt einem neuen Interessentenkreis. Begleitet werden seine Ausführungen von einigen der bedeutendsten, in hervorragender Qualität gedruckten Pflanzen-Photographien.