Jean-Pierre Maurer / Robert Müller, aus dem Werk Morgan Is Sad Today, 1968 © Jean-Pierre Maurer / Robert Müller
Jean-Pierre Maurer / Robert Müller, aus dem Werk Morgan Is Sad Today, 1968 © Jean-Pierre Maurer / Robert Müller
Photograph*in
Jean-Pierre Maurer, Robert Müller
Ausstellungsdatum
-
Name der Galerie / Museum / Ausstellungsort
Beschreibung

Morgan Is Sad Today gehört zu den unkonventionellsten und sperrigsten Fotobüchern der Schweizer Fotogeschichte. Es wurde in den späten 1960er-Jahren von den beiden jungen Fotografen Robert Müller (1942–2018) und Jean-Pierre Maurer (*1942) konzipiert, blieb aber – als druckfertige Maquette – fast 50 Jahre liegen, bis es 2015 vom Verleger Patrick Frey entdeckt und in praktisch unveränderter Form publiziert wurde. Das Werk ist von einer verblüffenden Radikalität. Wild und ausgelassen beschwört es das Lebensgefühl der jungen Menschen, die überzeugt waren, in eine bessere und freiere Welt aufzubrechen. Dieser Aufbruch ging mit einer frivolen Demontage des Establishments und lustvoller Kritik an bürgerlichen Konventionen einher – und spiegelte sich auch in der Fotografie.

Müller und Maurer fügten über 100 Bilder zu einem assoziativen Reigen voller Rätsel und Brüche, wobei meistens unklar bleibt, von wem die einzelnen Aufnahmen stammen. Morgan Is Sad Today ist gewissermaßen ein kollektives Produkt, in das auch Rohmaterial aus anderen Quellen (zum Beispiel Pressebilder oder Comics) eingearbeitet wurde. Die Bildsequenzen bewegen sich zwischen Inszenierung und Wirklichkeit, bleiben fragmentarisch oder ergießen sich ausufernd über die Betrachtenden: ein Stream of Consciousness, mal näher bei einem Nouvelle-Vague-Film, dann wieder wie der schrille Live-Act eines Rockkonzerts. Immer wieder werden die Regeln der «guten» Fotografie über Bord geworfen. Extreme Kontraste, Spielereien mit Unschärfe und grobem Korn, skurrile und spontane Happenings, sorgfältig geplante Absurditäten im Studio sowie Verfremdungen bis zur Unkenntlichkeit gehören zum Repertoire einer Ästhetik des Widerstands, die sich einer «vernünftigen» Logik entzieht. Als Autor für einen begleitenden Essay konnten die beiden Fotografen den bekannten italienischen Designer Ettore Sottsass gewinnen; dieser lieferte allerdings keinerlei bildbezogenen Erklärungen, sondern beschrieb ebenso frei und ausschweifend wie die Fotografen den Zeitgeist der 1960er-Jahre – ein Manifest gegen das hohle Pathos und die Lügen der Politik und ein Plädoyer für ein Leben im Einklang mit dem Universum. Für die gedruckte Version von 2015 steuerte auch Sandro Fischli einen erhellenden Text bei. [...]